Feierabend. Vor mir fährt ein Firmenfahrzeug. In meinem Kopf spukt es, diesen Handwerker könnte ich „gebrauchen“…

Plötzlich wird es an der Ampel rot. Ich schwinge mich kurzerhand mitten auf der Kreuzung aus meinem  Auto, klopfe an die Fensterscheibe und frage den Handwerker, ob er kurz beifahren könnte, damit wir miteinander reden können.

Gesagt. Getan. Ab da an, beginnt ein wunderbares Gespräch, vor dem manch andere Handwerker vor Neid erblassen kann. Und ab dann beginnt die Welt wieder in Ordnung zu kommen.

Ich klage mein Leid, dass ich mit der Fassadenfarbe für ein Wohnhaus nicht zurechtkomme. Die RAL-Karte, die mir ein anderer Handwerker in die Hand drückte, ist keine wirkliche Entscheidungshilfe. Kleine Farbkarte, aus der man sich die Gesamtwirkung eines Hauses nicht wirklich vorstellen kann.

Ein altbekanntes Thema. Gerade aus diesem Grunde bin ich enttäuscht, dass “man” mir keine weiteren Hilfestellungen anbietet. Die Masche, die hier geritten wird: “Kunde, hier die Farbkarte – friss oder stirb.” Keine gute Herangehensweise, weil der Kunde im Regen stehen bleibt. Keine Kundennähe. Kein wirkliches Interesse.

Egalos-Mentalität?

Doch ab sofort erfahre ich das genaue Gegenteil: Kundenähe, pragmatische Hilfestellungen und Freude, dem Gegenüber zu helfen.

“Hätten Sie mich 10 Minuten vorher angerufen, hätte ich Ihnen eine Musterfarbe besorgt und Ihnen diese Musterfarbe auf eine Platte gepinselt.”

Der Handwerker greift in seine Trickkiste; er erzählt mir von Spektralgeräten, die die Fassadenfarben messen können, er erklärt mir bestimmte Zusammenhänge. Er führt mich an die Hand, sodass ich eine gute Farbentscheidung treffen konnte. Und das alles, obwohl dies nicht seine Aufgabe gewesen wäre. Denn der Mann hatte dafür keinen Auftrag!

Was zeichnet diesen Handwerker aus? Er hat sich mit der Sache identiziert. Er hat zu mir eine angenehme Verbindung aufgebaut. Er hat mehr geholfen und es hat ihm sichtbar Freude gemacht. Damit hat er für seine Person, für sein Handwerk geworben.

Gute Handwerker gibt es um die Ecke

Ich behaupte: Handwerker, die ihren Job lieben, pflegen eine “herzlichere” Begegnung zu ihren Kunden. Sie heben sich gewaltig von ihren Wettbewerbern ab, die als “Satz-Minimierer”, “Wortbrecher” und “Service-Legastheniker” auftreten und im Kern nur ihre Arbeit abarbeiten, mehr aber nicht. Das Drumherum, den Kunden an die Hand zu nehmen, den Kunden in seinen Entscheidungen zu unterstützen, fehlt häufig.

Deshalb sage ich: Jeder Auftrag ist eine Bewerbung für die „Handwerker-Olympiade“. Mit jedem Auftrag hat der Handwerker die Chance aufs Neue zu beweisen, dass er
nicht nur gute Arbeit leistet, sondern auch dem Kunden dient.