Die Anfangsjahre unserer Gründerjahre

Prof. Dr. Syben hat viele Jahre in der Baubranche geforscht. Er interessiert sich für den Menschen, was er tut und wie er es tut. Das hat mich neugierig gemacht und veranlasst mit ihm ins Gespräch zu kommen. Die Baubranche hat sich starkt gewandelt, heute stehen wir vor anderen Herausforderungen als damals als unser Betrieb gegründet wurde. Der Mensch rückt immer mehr in den Vordergrund.

  1. Im Rahmen Ihrer Forschungsarbeit haben Sie die Gruppe der Bauleiter ins Visier genommen. Der Bauleiter von heute hat anspruchsvolle Aufgaben zu erfüllen und dabei ist er vielen abhängigen Faktoren ausgesetzt, die er nicht immer beeinflussen kann. Der Job ist sehr stressig und die Anforderungen an die IT-Fähigkeiten steigen immer mehr. Für welchen Typ Mensch ist denn der Job Bauleiter/innen heutzutage zugeschnitten?

Bauleiter und – es sind zwar wenige, aber es gibt sie: – Bauleiterinnen treffen Entscheidungen in der Bauausführung, die entscheidend sind für Rentabilität von Projekten und Qualität von Produkten und damit insgesamt für den Erfolg der Bauunternehmen. Nicht selten sind sie die Eingreifreserve zum Ausgleich von Ungenauigkeiten der Planung.

Das könnte sich mit der Einführung des Building Information Modeling (BIM) ändern. Dazu brauchen sie exzellente fachliche Kompetenz, heute einschließlich der Beherrschung digitaler Hilfsmittel, Kommunikationsfähigkeit, Lösungsorientiertheit, wirtschaftliches Denken, Übersicht, Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein oder anders: Erfahrung.

Erfahrung stammt aus dem Erlebnis erfolgreicher Bewältigung von Aufgaben und gelungener Beherrschung von Situationen. Mit Erfahrung wird man nicht geboren und man erwirbt sie auch nicht in der Ausbildung. Erfahrung braucht Zeit, Zeit für die Bewährung im Beruf. Die muss man ihnen geben, damit sie solche Bauleiter und Bauleiterinnen werden können, die wir brauchen. Man muss sie also heranbilden. Das ist eine große Aufgabe für die Unternehmen. Bauleiter und Bauleiterinnen sollten die werden, die Spaß an dieser Aufgabe an der Schnittstelle zwischen Bautechnik, Ökonomie, Organisation und Umgang mit Menschen haben.

  1. Der Fachkräftemangel kann das Bauwachstum bremsen. Die demographische Lücke können wir nicht wegdiskutieren. Was können wir Betriebe tun, damit wir Fachkräfte anziehen, die unsere Projekte qualitativ gut abwickeln? Kann der Arbeitgeber den Job des Bauleiters überhaupt attraktiver gestalten? Und wie kann er das tun?

Wer ein Patentrezept zur Beseitigung des Mangels an Fachkräften hätte, könnte sich zum König wählen lassen. Innerhalb eines Unternehmens kann man aber einige Voraussetzungen schaffen: Den Beschäftigten Vertrauen entgegenbringen, Leistung verlangen (die meisten Menschen arbeiten gerne und wollen gute Resultate erreichen!) und anerkennen, Konflikte nicht zukleistern, sondern lösen oder wenigstens bearbeiten.

Das heißt auch: mit der betrieblichen Interessenvertretung und der Gewerkschaft zusammenarbeiten. Zusammenfassend gesagt: die Beschäftigten als gleichberechtigte Menschen behandeln. Heute heißt das vielfach auch: die Arbeitszeit so organisieren, dass ihnen ein ausgeglichenes Verhältnis von beruflicher Inanspruchnahme und privatem Leben ermöglicht wird (modisch gesagt: work-life-balance). Dabei keine Sorge: Die allermeisten Beschäftigten haben weitaus mehr Verantwortungsbewusstsein für ihr Unternehmen, als ihnen oft zugetraut wird.

  1. Die Kommunikation am Bau ist eine Schlüsselqualifikation am Bau. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Schwächen in der Kommunikation und wie kann man diese eliminieren?

Nach meinen Erkenntnissen geht einem Mangel an Kommunikation oft ein Mangel an Transparenz voraus, sei es aus Gedankenlosigkeit oder weil „man sich nicht in die Karten gucken lassen will“. Kommunikation lernt man durch Kommunizieren, also ganz einfach: miteinander reden. Vor Beginn einer Arbeit fünf Minuten miteinander reden, wie man es machen will, spart oft fünf Stunden für die Beseitigung von Fehlern aufgrund mangelnder Abstimmung.


Zur Person
Prof. Dr. Gerhard Syben, Jahrgang 1945, Ausbildung als Journalist, Studium der Soziologie an der Universität Bielefeld, Mitarbeiter in Forschungsprojekten zu Arbeit und Bildung, Chefredakteur der Mitgliederzeitung der IG Bau-Steine-Erden. 1986 bis 2011 Professor für Arbeit- und Industriesoziologie an der Hochschule Bremen. Forschung zu Arbeit und Bildung in der Bauwirtschaft. Mehr Informationen zur Forschungstätigkeit über www.baq-bremen.de.